Langzeitverlauf der Netzfrequenz (06.2011-03.2016)

Der Sollwert der Netzfrequenz beträgt 50Hz. Je nach Einspeisung und Verbrauch weicht die Netzfrequenz allerdings etwas von diesem Wert ab. Da Strom nicht (bzw. nur in sehr geringem Umfang) gespeichert werden kann muss immer genau so viel Strom erzeugt werden wie auch verbraucht wird. Ein Ungleichgewicht macht sich in der Netzfrequenz bemerkbar. Diese Abweichungen sind nicht schlimm, sondern Regelungstechnisch sogar notwendig, solange sie einen bestimmten Toleranzbereich nicht überschreiten (siehe auch die Erklärungen hier). In den fast 5 Jahren, die ich schon die Netzfrequenz aufzeichne, lag die maximale, kurzfristige Abweichung bei ungefähr +/- 150mHz, also noch völlig im erlaubten Bereich (langfristig wären bis zu +/- 180mHz erlaubt).

 

Diese Abweichungen sind nicht zufällig verteilt, sondern folgen bestimmten Ereignissen:

Netzfrequenz von Juni 2011 bis März 2016

Rasterdiagramm zur Netzfrequenz von Juni 2011 bis März 2016

 

Abweichungen im Tagesverlauf

Die Abweichungen in der Frequenz gegenüber 50Hz sind umso stärker, je stärker die Laständerung ist. Starke Laständerungen entstehen durch nicht prognostiziertes Verhalten der Verbraucher, Netzfehler und Kraftwerksausfälle. Seit der verstärkten Nutzung von regenerativen Energien wie Solar- oder Windkraft spielt auch hier die Genauigkeit der Wettervorhersage eine große Rolle, da das Wetter den Ertrag dieser Energieformen stark beeinträchtigt. Die Erzeugung konventioneller Energien kann gut gesteuert und somit auch gut vorhergesagt werden, bei den Regenerativen ist dieses nicht immer der Fall.

Auffällig ist, dass sich die Abweichungen von der Sollfrequenz nicht durch ein gleichmäßiges Rauschen bemerkbar machen, sondern dass die Frequenzänderungen besonders zum Stundenwechsel auftreten. Der Grund dafür ist, dass die Bilanzkreisverantwortlichen zwar eine Prognose pro Viertelstunde abgeben, die Händler an der Strombörse aber größtenteils stundenweise die Kapazitäten einkaufen und diese dann auch erst zum Stundenwechsel zugeschaltet werden. Dadurch kommt es besonders in den Morgenstunden und im Winter auch in den Abendstunden zu einer Überversorgung nach der Aktivierung der Leistung und die Netzfrequenz steigt kurzzeitig bis zum Einsetzen der (negativen) Regelleistung.

In den späten Abendstunden und am frühen Morgen zeigt sich ein umgekehrtes Bild. Hier wird stundenweise die Erzeugung heruntergefahren. Das hat zur Folge, dass zum Beginn einer vollen Stunde die Netzfrequenz sinkt und im Verlauf der Stunde wieder ansteigt. Leichte Frequenzveränderungen nach oben sind noch in der Mittagszeit von 12:00 – 14:00 Uhr herum zu beobachten. Zu diesem Zeitpunkt hat die Lastkurve einen Wendepunkt und nach der morgendlichen Zuschaltung von Erzeugungskapazitäten müssen diese jetzt langsam wieder abgeschaltet werden.

 

typischen Lastverlauf für die Sommer- und Wintermonate

typischer Lastverlauf für die Sommer- und Wintermonate

Das folgende Bild zeigt einen typischen Lastverlauf für die Sommer- und Wintermonate:

 

Abweichungen im Jahresverlauf

Im Winter ist der Energieverbrauch größer als im Sommer, die Höhe des Verbrauches verändert aber offensichtlich nicht den Verlauf der Netzfrequenz. Der Anstieg der Last in den Abendstunden, welcher nur in den Wintermonaten zu beobachten ist, lässt sich aber auch in dem Frequenzverlauf wieder erkennen. Hier sinkt nicht nur die Frequenz in den Morgenstunden beim Lastanstieg ab 5:00/6:00 Uhr, sondern auch ab dem Herbst bis zum Frühling, wenn die Sonne früher am Tag untergeht. In den Morgenstunden ist kaum eine Verschiebung des Frequenzverlaufes in Abhängigkeit vom Sonnenaufgang zu erkennen. Morgens ist auch in der Lastkurve lediglich eine Parallelverschiebung um ca. 100GW zu sehen. Der Verlauf der ansteigenden Last ist morgens im Winter und im Sommer relativ gleich.

Der Effekt, dass in den späten Abendstunden die Frequenz während eines Stundenwechsels sinkt und danach wieder steigt, ist in den Wintermonaten stärker zu beobachten. Dieses liegt daran, dass der Verbrauch abends im Winter stärker abfällt und die erzeugten Energiemengen zwischen den nachfolgenden Stunden eine größere Differenz aufweisen.

 

Sonnenstand und Netzfrequenz

Deutlich zu erkennen ist eine Wiederholung in den Abendstunden. Hier liegt die Netzfrequenz zum Zeitpunkt des Sonnenuntergangs eher unter 50Hz und ist zu den Stundenwechseln stark erhöht. Auch in den Morgenstunden – zum Sonnenaufgang – zeigt sich ein ähnliches Bild. Etwas undeutlicher zu erkennen ist das Muster zur Mittagszeit, aber hier zeigt sich bei genauerem Hinsehen ein Muster, welches der Höhe des Sonnenstands zu folgen scheint. Diese Abhängigkeiten von der Sonne liegen nicht (nur) an der Einspeisung durch Photovoltaik. Vielmehr ist (auch) das Verhalten der Energieverbraucher ein Grund dafür. In den Wintermonaten wird früher das Licht eingeschaltet, das Heiz- und Kühlverhalten (Klimaanlagen) verändert sich und man hält sich eher zu Hause auf als es in den Sommermonaten der Fall ist – wodurch sich natürlich auch der Energieverbrauch ändert.

 

Einfluss des Stromhandels auf die Netzfrequenz

Neben den Mustern, die hauptsächlich durch die Tageslänge/den Sonnenstand beeinflusst werden, gibt es noch starke Auffälligkeiten zu den vollen Stunden. Ein Grund dafür ist der Stromhandel und dass Strom hauptsächlich stundenweise eingekauft wird (etwas vereinfacht dargestellt). So wird zum Beispiel morgens zwischen 7:00 und 8:00 Uhr ein Kraftwerk angestellt, welches durchgängig die gleiche Leistung erbringt, die in diesem Zeitraum durchschnittlich gebraucht wird. Für den Anfang der Stunde ist das allerdings etwas zu viel, da womöglich noch einige am Schlafen sind und auch die Industrie ihre Produktionsanlagen noch nicht hochgefahren hat – die Frequenz ist also zu hoch. Am Ende der Stunde sind mehr Verbraucher am Netz und die Frequenz sinkt unter 50Hz. Diese Über- und Unterdeckung wird dann durch Regelenergie ausgeglichen. Immer mehr Bedeutung bekommt auch der Viertelstundenhandel, welcher in den letzten Jahren eingeführt wurde. Dieser feinere Handel könnte ein Grund dafür sein, dass sich das Verhalten an den Stundengrenzen in den letzten Jahren etwas verbessert hat.

Schöner wäre es, wenn sich der Stromhandel überhaupt nicht im Verlauf der Netzfrequenz bemerkbar machen würde. Für den Ausgleich wird Regelleistung benötigt. Der Einsatz von Regelenergie ist völlig normal und sie ist auch dafür gedacht, Schwankungen auszugleichen. Allerdings kann nicht unendlich viel Regelenergie vorgehalten werden, es sind derzeit ungefähr 3000MW im europäischen Synchronnetz. Das reicht, um einen gleichzeitigen Ausfall von 2 großen Kraftwerksblöcken auszugleichen. Durch den Stromhandel wird diese Reserve teilweise zur Hälfte in Anspruch genommen.

 

Verstärkter Handel mit Viertelstundenprodukten

Der Handel mit Viertelstundenprodukten nimmt immer mehr zu. Eigentlich wäre dadurch zu erwarten, dass die starken Frequenzsprünge an den Stundengrenzen etwas abnehmen und sich etwas besser verteilen. Eine größere Veränderung ist in dem Rasterdiagramm aber nicht zu erkennen. Lediglich in den Abendstunden scheinen die starken Überhöhungen der Frequenz seit dem Frühjahr 2012 etwas nachgelassen zu haben.

 

Senkrechte Linien im Bild

Teilweise sind senkrechte Linien im Bild zu erkennen. Hier handelt es sich nicht um eine besondere Anomalie in der Netzfrequenz – es sind schlichte Messaussetzer. Besonders „schön“ ist der Aussetzer Anfang Juni 2012. Hier sind 2 Messgeräte ausgefallen, ein Server hatte Schluckauf und ich befand mich im Urlaub, sodass eine Behebung der Probeme zusätzlich erschwert wurde. Zu allem Überfluss funktionierte an meinem Urlaubsort das Hotel-WLAN an diesen Tagen nicht richtig. Aus der Erfahrung mit diesen Problemen habe ich natürlich gelernt und einige Maßnahmen ergriffen. Ausfälle sind aber weiterhin nicht komplett ausgeschlossen, wie man auch an den aktuelleren Daten an einigen kurzen „Streifen“ erkennen kann. Ausfallsicherheit kostet Geld und man muss das Kosten-/Nutzen-Verhältnis im Auge behalten.