Sturm und Strom – und ein Kraftwerksausfall

Das Orkantief „Christian“ hat am 28. Oktober einiges ordentlich durcheinander gewirbelt – und auch für einen ordentlichen Ertrag an Windenergie gesorgt.

Auffälliger Verlauf der Netzfrequenz

Auffällig war an diesem Tag der Verlauf der Netzfrequenz. Es gab Ausschläge, die ich in der Form nicht erwartet hätte. Das gab mir den Anlass, die Werte dieses Tages einmal genauer anzugucken.

Netzfrequenz 28.10.2013

Netzfrequenz 28.10.2013 (Minutenmittelwerte)

Besonders Auffällig ist der starke Frequenzabfall zwischen 17 und 18 Uhr. Derartige Schwankungen deuten normalerweise auf besondere Vorkommnisse hin. Aber auch die anderen Zeiträume haben meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Zum Vergleich der Frequenzverlauf von dem Montag der Vorwoche:

Netzfrequenz 21.10.2013

Netzfrequenz 21.10.2013 (Minutenmittelwerte)

Hier sind in den Morgenstunden stärkere Ausschläge zu erkennen. Diese Ausschläge kommen durch die Art und Weise des Stromhandels zustande, da hauptsächlich Stundenkontrakte gehandelt werden. In den Morgen- und Abendstunden kommt es dabei durch die Laständerung im Stromnetz zu größeren Schwankungen, was jeden Tag auf’s neue zu beobachten ist. Diese Schwankungen scheinen insbesondere in den Morgenstunden am 28. etwas geringer gewesen zu sein, wobei es sich hier um einen subjektiven Eindruck handeln könnte – diesen Teil möchte ich hier und heute aber nicht beleuchten.

Sturmtief über Deutschland

Aufgrund der besonderen Windverhältnisse an diesem Tag bietet sich ein Blick auf die Daten zur Einspeisung und zur (Gesamt-)Last:

Erzeugung und Last 28.10.2013

Erzeugung und Last 28.10.2013 (Datenquellen: EEX-Transparenzplattform und entsoe, eigene Darstellung)

Die Daten zur erzeugten Wind- und Solarenergie stammen von der EEX-Transparenzplattform, die Daten zur Last von der Entsoe. Wind- und Solarertrag wurden aufgrund ihrer wetterabhängigen Ähnlichkeit von mir zusammengefasst. „Sonstige“ ist die aus Last und erzeugter Wind-/Solarenergie errechnete Leistung, die von anderen (konventionellen) Kraftwerken erzeugt werden musste. Zur Mittagszeit wurde kurzfristig mehr Bedarf durch regenerative Energien als durch konventionelle gedeckt. Im Vergleich mit der Frequenz lassen sich hier aber keine Rückschlüsse ziehen.

Zum Vergleich hier noch der Montag von letzter Woche:

Erzeugung und Last 21.10.2013

Erzeugung und Last 21.10.2013 (Datenquellen: EEX-Transparenzplattform und entsoe, eigene Darstellung)

Der Lastgang sieht ähnlich aus, allerdings war die Erzeugung aus Wind und Solarkraft wesentlich geringer.

Netzrequenz <-> Anteil erneuerbarer Energien?

Anhand der Frequenz lassen sich keine Rückschlüsse auf den Anteil erneuerbarer Energien ziehen. Bei einem Vergleich dieser beiden Tage scheint die Frequenz an den Stundengrenzen sogar etwas stabiler zu sein. Wobei dieser Teil jetzt noch nicht genauer untersucht wurde – dazu sollte aber später mal mehr kommen. 😉

Eingesetzte Regelleistung

Die erneuerbaren Energien haben den Ruf, nur unstetig abrufbar zu sein. Schwankungen bei der Erzeugung müssen durch Regelleistung ausgeglichen werden. Die Daten zur in Deutschland eingesetzten Regelleistung werden von den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern unter www.regelleistung.net veröffentlicht:

eingesetzte Sekundärregelleistung 28.10.2013

eingesetzte Sekundärregelleistung 28.10.2013 (Datenquelle: regelleistung.net, eigene Darstellung)

Die Grafik zeigt die Daten der eingesetzten Sekundärregelleistung vom 28.10.2013. Leider sind die Daten von gestern zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vollständig abrufbar. Zum Vergleich noch die Daten der Vorwoche (21.10.2013):

eingesetzte Sekundärregelleistung 21.10.2013

eingesetzte Sekundärregelleistung 21.10.2013 (Datenquelle: regelleistung.net, eigene Darstellung)

Die Werte vom 21.10. wirken relativ „normal“, der Einsatz von Sekundärregelleistung ist nichts ungewöhnliches. Die Sekundärregelleistung wird nach ca. 15 Minuten von der Minutenreservere abgelöst, das war nur morgens um 3:30 Uhr, abends um 18:30 Uhr und um 20:45 Uhr notwendig. Allerdings wurden hier nur bis zu 600MW an Minutenreserve eingesetzt.

Der 28.10.2013 ist hier schon interessanter, der Einsatz von positiver Regelleistung ist relativ hoch. Ein hoher Einsatz von Regelleistung kann bedeuten, dass sich beim Forecast verrechnet wurde und die Prognose nicht mit dem tatsächlichen Lastverlauf übereinstimmt. Das war an diesem Tag sicherlich auch der Fall. Jetzt kommt aber noch der Bereich ab 17:00 Uhr, in dem die Netzfrequenz so extrem abgesackt ist. Stimmt die Prognose nicht, dann ist zwar auch der Einsatz von Regelleistung nötig, aber die Netzfrequenz bleibt im Normalfall innerhalb von bestimmten Grenzen da der Fehler in der Prognose rechtzeitig bekannt ist. Dieser Absturz deutet auf ein anderes Problem hin. Auf der EEX-Transparenzplattform werden auch Daten zu ungeplanten Nichtverfügbarkeiten von Kraftwerken veröffentlicht. Laut dieser Daten gab es einen Ausfall eines Braunkohlekraftwerkes mit einer Leistung von 762MW (weitere Informationen zu diesem Ausfall konnte ich noch nicht finden). Nimmt man einen Lastgradienten von 17200MW/Hz an (genauere Erklärung dazu unter Netzfrequenz und Regelleistung), dann dürfte sich dieser Ausfall mit einer Frequenzabweichung von ca. 0,044Hz bemerkbar machen. Die Netzfrequenz ist aber wesentlich stärker gefallen als bei einem Stundenwechsel zu erwarten gewesen wäre – und sie war auch wesentlich länger zu niedrig, als bei einem Kraftwerksausfall von 762MW zu erwarten gewesen wäre, da solche Fälle eigentlich schnell von der Regelleistung abgedeckt werden können. Ab 17:45 Uhr wurde Minutenreserve aktiviert und hat die Sekundärregelleistung abgelöst, wobei bis zu 2.5GW eingesetzt wurden (siehe regelleistung.net).

Bestand die Gefahr eines Blackouts?

Nee, noch lange nicht. 😉
Zumindest nicht, was die Netzfrequenz angeht. Es hätte auch noch ein weiteres Kraftwerk mit einer Leistung von ca. 800MW kurzfristig ausfallen können und die Netzfrequenz wäre noch im normalen Bereich geblieben. Wie es mit den Leitungskapazitäten ausgesehen hätte, lässt sich anhang meiner hier genutzen Daten nicht bestimmen.

Fazit

Da hier (erstmal 😉 ) nur die Daten von zwei ähnlichen Tagen genutzt wurden, ist es schwer, ein Fazit zu ziehen. Es sieht auf jeden Fall danach aus, als ob ein hoher Anteil von regenerativen Energien das Netz nicht destabilisiert (zumindest auf die Netzfrequenz bezogen) und die Übertragungsnetzbetreiber auch nicht übermässig Regelleistung einsetzen mussten, um „unstete“ erneuerbare Energien auszugleichen. Der Einsatz von Regelleistung scheint hier eher durch falsche Verbrauchsprognosen und Ausfälle nötig gewesen zu sein.
Dann könnte noch die Art und Weise in Frage gestellt werden, wie die Stundenkontrakte gehandelt werden. Es gibt seit einiger Zeit die Möglichkeit, auch Viertelstundenkontrakte an der Strombörse zu handeln, möglicherweise werden diese Kontrakte noch nicht ausreichend genutzt. Allerdings sind die Schwankungen in der Netzfrequenz durch die Art und Weise des Handels noch lange nicht dramatisch. Probleme dürften da eher die fehlenden Leitungen machen, um den Strom von A nach B zu transportieren.