Gefahr durch Sonnenfinsternis? [Update]

Der Spiegel schreibt in einem Artikel, dass sich die deutschen Stromnetzbetreiber vor der Sonnenfinsternis am 20. März 2015 fürchten. Laut Spiegel beträgt die installierte Leistung 40 Gigawatt und solch ein abrupter Leistungsverlust sei schwer auszubalancieren. Was ist von dieser Aussage zu halten? Im Prinzip ist beides richtig, allerdings wird hier ein Zusammenhang suggeriert, den es so nicht gibt. Nur, weil die installierte Leistung 40 Gigawatt beträgt, erzeugen die Solaranlagen noch lange nicht so viel und die Sonnenfinsternis wird auch nicht dafür sorgen, dass urplötzlich die komplette Solareinspeisung wegfällt.

Das folgende Bild zeigt die Stromerzeugung aus Solarkraft am 20. März 2014 (Quelle):

Produktion Solar am 20. März 2014

Produktion Solar am 20. März 2014 (Quelle: http://www.transparency.eex.com/de/daten_uebertragungsnetzbetreiber/stromerzeugung/tatsaechliche-produktion-solar )

Die größte Einspeisung gab es zur Mittagszeit mit etwas über 22 Gigawatt. Würden diese 22 GW aufgrund einer Sonnenfinsternis plötzlich innerhalb von ein paar Sekunden wegfallen, dann wäre ein Stromausfall vorprogrammiert, das ließe sich durch Regelenergie nicht ausgleichen. Das würde in der Form aber nicht passieren. Selbst bei einer totalen Sonnenfinsternis bedeckt der Kernschatten nicht ganz Deutschland auf einmal, es gibt also keinen gleichzeitigen „Ausfall“ sämtlicher Solaranlagen.

Ein paar Gedankengänge dazu (mit „Pi mal Auge“-Werten): Bei einer totalen Sonnenfinsternis hat der Kernschatten über Deutschland ungefähr eine Größe von 100km, das entspricht einer Fläche von 8.000 Quadratkilometern. Deutschland hat eine Fläche von ca. 360.000 Quadratkilometer, der Kernschatten bedeckt also immer nur ca. 3% der Fläche. Diese 3% entsprächen bei einer Einspeisung von 22GW ca. 700MW, womit in der Tat die Regelenergiereserven für Deutschland (im UCTE-Netz gesamt ca. 3000MW) aufgebraucht wären. Dazu kommt noch, dass der Ausfall sich über ein relativ kleines Gebiet erstrecken würde, die Regelenergie aber aus allen Ecken in diesen kleinen Bereich geschafft werden müsste – was aufgrund fehlender Stromleitungen nicht möglich wäre. Des Weiteren kommt dann noch der Halbschatten, der auch die Erzeugungsleistung weiterer Solaranlagen senken würde. Eine überraschende totale Sonnenfinsternis wäre also relativ ungünstig für unsere Stromversorgung, zum Glück können solche Ereignisse aber schon Jahre im voraus vorhergesagt werden. Als überraschendes Ereignis mit einer ähnlichen Verschattung würden mir im Moment höchstens noch eine Invasion von Ausserirdischen einfallen, die mit ihren riesigen UFOs den Himmel verdunkeln. Aber da hätten wir wohl eh ganz andere Probleme als die Stromversorgung…

Die Sonnenfinsternis beginnt am 20. März 2015 über Deutschland ca. um 8:45 Uhr und endet um 11:00 Uhr (siehe auch die Animation unter http://de.wikipedia.org/wiki/Sonnenfinsternis_vom_20._M%C3%A4rz_2015 ). Allerdings gibt es zu dieser Zeit nur eine Halbabschattung, der Kernschatten zieht so weit nördlich über die Erde, dass er keine Auswirkungen auf das europäische Verbundnetz hat. Der Halbschatten wird allerdings schon dafür sorgen, dass weniger Energie aus der Sonne gewonnen werden kann. Aber auch hier wieder: Das ist planbar. Und da die Stromerzeugung zu dem Zeitpunkt ähnliche Größenordnungen haben dürfte wie an einem dunklen Wintertag, dürften auch noch Kraftwerke zur Verfügung stehen, die den Engpass ausgleichen können.

Ein Vorteil ist, dass die Sonnenfinsternis morgens zu einem Zeitpunkt beginnt, an dem eh noch nicht so viel Strom aus der Sonne gewonnen werden kann. Etwas problematischer ist das Ende zur Mittagszeit. Hier würde normalerweise viel Strom mithilfe der Solaranlagen produziert werden können. Angenommen, der Ertrag aus Solarkraft ist ähnlich wie am 20. März 2014 und durch die Sonnenfinsternis sinkt der Ertrag um 50%, dann würde die Erzeugung der Solaranlagen innerhalb einer halben Stunde um 10GW steigen. So ein Anstieg wäre eine Herausforderung, da die „normalen“ Kraftwerke auch nicht einfach wie ein Auto durch das Drehen eines Zündschlüsseln an- und abgeschaltet werden können und „zu viel“ Strom im Netz genauso schlimm ist wie „zu wenig“. Ein derartiger Anstieg kann aber durch die Stromnetzbetreiber unterbunden werden. Die meiste Solarenergie kommt aus größeren Anlagen und diese können von aussen geregelt werden. Es ist zwar ärgerlich, wenn statt der Sonnenkraft fossile Energieträger verbrannt werden müssen, aber noch keine Gefahr für die Stromversorgung. Solche Schwankungen gibt es auch bei der Windkraft zu beobachten – und auch hier kann das von den Energieversorgern ausgeglichen werden. Wenn die Stromversorger extreme Probleme mit schwankender Erzeugung hätten, dann müsste auch die Windkraft ganz schnell abgeschafft werden…

Dieses Ereignis ist nicht besorgniserregend und ich bin mir sicher, dass die Betreiber unserer Energienetze auch am 20. März 2015 alles im Griff haben werden. Es zeigt aber, dass bei der Energieversorgung nicht alles auf eine Karte gesetzt werden sollte. Es müssen zusätzlich zur Sonne (und Windkraft) noch weitere Möglichkeiten genutzt werden, damit es nicht mehr notwendig ist, zusätzlich noch so viele fossile Kraftwerke in Bereitschaft zu haben, die bei einem Ausfall einspringen können. Hierzu gehören nicht nur weitere Arten der Energieerzeugung, sondern auch ein intelligentes Netz, damit die oben genannten 10GW nicht nur durch das Einspeisemanagement ausgeglichen werden. Auch durch eine intelligentere Entnahme könnte hier einiges bewirkt werden.

[Update 17.09.2014]

Bei der Angabe der Zeiten ist mir leider ein Fehler unterlaufen, ein aufmerksamer Leser hat mich darauf aufmerksam gemacht (Danke an Lennart B.): Die Zeitangaben zur Sonnenfinsternis sind UTC, für Deutschland verschieben sich die Zeitangaben also um eine Stunde. Somit beginnt die Sonnenfinsternis um ca. 9:30 Uhr (statt um 8:30 Uhr, wie fälschlicherweise im Beitrag geschrieben). Dadurch verdoppelt sich die Einspeisung morgens zu Beginn der Finsternis und der Aufwand wird höher, um die morgendliche Schwankung auszugleichen. Zur Mittagszeit kann ich aber bei meinen Aussagen bleiben, so riesig sind die Unterschiede von 11:00 bis 13:00 Uhr nicht.